Fragen an den Aufsichtsratskandidaten
Johannes Baumeister
Vorstellung von Johannes Baumeister als Aufsichtsratskandidat für die Wahl bei der Mitgliederversammlung des SSV Jahn Regensburg im Jahr 2024.
1. Damit die Jahnfans sich bereits vor der Mitgliederversammlung ein Bild der Kandidaten für den Posten des Aufsichtsrats machen können, bitten wir Sie, sich kurz vorzustellen.
Johannes Baumeister, 42 Jahre, wohnhaft nach vielen Jahren in Regensburg mittlerweile wieder in meinem Heimatort Scheyern. Ich habe an der Universität Bayreuth Sportökonomie studiert und bin aktuell selbständig tätig als Strategieberater, Uni-Dozent und Verfasser sozialwissenschaftlicher Aufarbeitungsstudien. Nebenher habe ich mich in den vergangenen Jahren intensiv mit der Beziehung von Staat und Profisport beschäftigt und befinde mich kurz vor dem Abschluss meiner Promotion zum Thema „Förderung des Profifußballs durch die öffentliche Hand“. Vielen Mitgliedern dürfte ich noch von meinen fünfeinhalb Jahren (2011-2016) als kaufmännischer Geschäftsführer und Vorstand Finanzen beim SSV Jahn bekannt sein. Zwei Aufstiege und zwei Abstiege, eine Stadionsanierung und ein Stadionneubau, die komplette personelle und organisatorische Neuaufstellung der Geschäftsstelle und vor allem das Bemühen um eine Wiederverankerung des SSV Jahn als festen gesellschaftlichen Bestandteil in Regensburg, der Oberpfalz und Niederbayern waren eine unheimlich intensive Zeit, aber auch eine sehr schöne, die mich persönlich sehr geprägt hat. Seit 2022 bin ich außerdem Mitglied des Jahn-Aufsichtsrats.
2. Wie lange sind Sie bereits Vereinsmitglied und was hat Sie dazu bewogen, Mitglied des Vereins zu werden bzw. was treibt Sie an, sich als Kandidat für die Wahl zum Aufsichtsrat zu kandidieren?
Vereinsmitglied bin ich erst im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit beim SSV Jahn geworden. Die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft bei meinem Abschied 2016 hat mich sehr gefreut und ist für mich auch mit einem gewissen Auftrag verbunden, weiterhin die Verbindung zum Jahn zu halten und – sofern gewünscht – einen kleinen Beitrag zu einer positiven Weiterentwicklung zu leisten. Meine Motivation für eine erneute Kandidatur liegt zum einen darin, dass ich mich mit dem Jahn und vielen Menschen rund um den Jahn – ob auf Fan-Ebene, in der Geschäftsstelle oder in den Gremien – weiterhin verbunden fühle. Darüber hinaus sehe ich aber auch einige inhaltlich-strategische Themen, bei denen ich mich gerne mit meiner Expertise aus Wissenschaft und Praxis einbringe. Beispielhaft möchte ich dabei die Weiterentwicklung der Jahn-Strukturen für eine angemessene Club-Governance und die Planungen für ein Nachwuchsleistungszentrum nennen.
3. Der Aufstieg in die zweite Liga hatte im Jahr 2017 einen langwierigen, aber am Ende erfolgreichen Kampf gegen den Einstieg eines Investors mit sich gebracht. Nun hält der SSV Jahn Regensburg e.V. 90,5 % der Anteile an der GmbH & Co. KGaA. Wie würden Sie zu einem Einstieg eines Investors und einem damit verbundenen Anteilsverkauf stehen?
Über die derzeitige Satzung ist nicht nur die beherrschende Stellung des e.V. als Komplementär der Kapitalgesellschaft geregelt, sondern auch die Stimmenmehrheit der Kommanditaktionäre. Somit sind einem etwaigen Anteilsverkauf sowieso sehr enge Grenzen gesetzt. Diese engen Grenzen halte ich für völlig richtig, ist doch die 50+1-Regelung ein sehr wesentlicher Bestandteil der deutschen Fußballkultur und im internationalen Vergleich ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal, das es unbedingt zu bewahren gilt. Die Entwicklung rund um den Investoreneinstieg bei der DFL fand ich persönlich sehr interessant, da erstmals Fans nicht nur protestiert haben, sondern in vielen Clubs über ihre Vereinsmitgliedschaft auch Entscheidungen mitgestaltet haben. In manchen Vereinen wurde erst damit deutlich, was die 50+1-Regelung wirklich bedeutet. Ich würde nicht generell und für alle Zeiten einen Verkauf von Minderheitsanteilen ausschließen. Für derartige Überlegungen müssten aber aus meiner Sicht zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Aufgrund der Sensibilität der Thematik wäre ein entsprechender Diskussionsprozess auf Mitgliederebene zwingend erforderlich. Auf inhaltlicher Ebene wesentlich wäre zudem, dass dieser Schritt nicht zur kurzfristigen Schaffung von Liquidität, sondern aus einer Position der Stärke mit dem Ziel einer langfristigen strategischen Partnerschaft erfolgt. Aktuell geht es aber zunächst einmal darum, dass die Jahn-Strukturen dazu passen, dass über 90% der Anteile beim e.V. liegen. Zum Zeitpunkt der Ausgliederung war eine solche – sehr erfreuliche – Entwicklung nämlich noch in keiner Weise absehbar.
4. In dieser Saison erhalten regelmäßig Spieler der Jahnschmiede Chancen, sich im Profi-Kader zu beweisen, zudem steht dem Neubau des neuen Nachwuchsleistungszentrums nichts mehr im Weg. Ist diese zugegebenermaßen sehr kostspielige Investition in Ihren Augen angebracht, oder wäre beispielsweise die Erhöhung des Budgets für den Profi-Kader nicht sinnvoller?
Die Entscheidungen rund um das Nachwuchsleistungszentrum werden aus meiner Sicht eine ganz schwierige Abwägung und für die nächsten Jahre wegweisend sein. Setzt man mit einer Entscheidung gegen die NLZ-Investition die Nachwuchsentwicklung aufs Spiel und schränkt damit die Zukunftsfähigkeit des Jahn ein? Oder bindet die Investition so viel Kapital, dass damit die finanzielle Stabilität des Jahn gefährdet wird? Dies ist insbesondere mit Blick auf eine 3. Liga zu überlegen, in der wir aktuell nur mit einem strukturellen Defizit wettbewerbsfähig sind. Deshalb ist eine langfristige Planung mit solidem Zahlenmaterial notwendig, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können, an der auch aktuell gearbeitet wird. Wenn der Jahn seiner Aufgabe als Profifußball-Vertreter der Region nachkommen möchte, ist aber auch klar, dass die Talententwicklung in der Region immer eine wichtige Rolle spielen muss, somit ist die Tendenz pro Nachwuchsförderung eindeutig, aber mit einer angemessenen Risikoabwägung.
5. Wie auch schon vor knapp zwei Jahren wurde der Verein nun den vergangenen Wochen von Medien und Fans teilweise sehr kritisch beäugt, da man in sportlich schwierigen Zeiten auf Kontinuität statt auf einen Wechsel in der sportlichen Führung gesetzt hat. Wie stehen Sie zu diesem Thema, wann wird ein personeller Wechsel unumgänglich?
Bei einer objektiven Betrachtung der Konkurrenz in der 2. Bundesliga und auch in der 3. Liga und dem Potenzial der einzelnen Standorte wird schnell klar, dass der Jahn mit eher eingeschränkten Möglichkeiten jeden Euro effizienter einsetzen muss als die Ligakonkurrenz, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das ist uns in den letzten Jahren immer wieder hervorragend gelungen. Grundlage dabei war aber immer eine ruhige und auf Kontinuität ausgerichtete Personalpolitik. Natürlich kann es Situationen geben, in denen Wechsel im sportlichen Bereich unumgänglich sind, aber wir sollten auch in den kommenden Jahren gut daran tun, uns von vielen anderen Clubs abzugrenzen und uns nicht völlig vom schnelllebigen Tagesgeschäft dominieren zu lassen. Nur so haben wir eine realistische Chance aus dem vorhandenen Budget mehr herauszuholen als die sportliche Konkurrenz.
6. In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Rufe bezüglich einer Strukturreform der Gremien des SSV Jahn laut, auch auf der diesjährigen Mitgliederversammlung werden über verschiedene Änderungsanträge abgestimmt. Besteht in Ihren Augen die Notwendigkeit, bestimmte Strukturen oder Teile der Satzung zu ändern?
Wenn wir auf den Jahn zum Zeitpunkt der Ausgliederung des Lizenzspielbetriebs aus dem e.V. vor rund 15 Jahren zurückblicken, dann wird schnell klar, dass die Rahmenbedingungen damals völlig anders waren. Man hatte damals versucht, mit der Ausgliederung zusätzliches Kapital in den Club zu bringen, um überhaupt überlebensfähig zu sein. Damit verbunden war die strukturelle Ausgestaltung, im Rahmen des Möglichen – also der 50+1-Regel – dem Kapital möglichst viel Entscheidungsspielräume zu gewähren. Damit ist es gelungen, den Jahn soweit zu stärken, dass es überhaupt zu Stadionneubau, professionellen Organisationsstrukturen und sportlichen Erfolgen kommen konnte. Heute ist die Situation aber anders. Die Kapitalanteile gehören zu über 90% dem e.V., aber die Struktur hat sich dem nicht angepasst. Wesentliche Fragen sind dabei: Welche Positionen sind ehrenamtlich, welche im Hauptamt? Wer ist im Management und wer kontrolliert? Welche Rolle spielen die Gremien des e.V. – nämlich Vorstand und Aufsichtsrat – mit Blick auf die Kapitalgesellschaft? Wie können Mitgliederrechte gestärkt werden, ohne zu stark vom emotionalen Tagesgeschäft dominiert zu werden? All diese Fragen sind nicht einfach zu beantworten, aber wir tun aus meiner Sicht gut daran, einen solchen Prozess zeitnah anzugehen. Beispiele aus anderen Clubs wie Hannover oder Stuttgart zeigen, dass auch dort unklare Strukturen zu erheblichen Schwierigkeiten führen können. Nicht zuletzt die Anträge zur Mitgliederversammlung machen deutlich, dass eine Befassung mit den Jahn-Strukturen auch aus Mitglieder-Perspektive notwendig ist. Isolierte Änderungen ohne den Blick auf das große Ganze halte ich aber für verfrüht.
7. Auf der Mitgliederversammlung 2022 haben die Mitglieder dafür gestimmt, eine nachhaltige Entwicklung und die Förderung von sozialen, ökologischen und kulturellen Projekten in den satzungsgemäßen Vereinszweck zu integrieren. Kommt der SSV Jahn den daraus entstehenden Pflichten Ihrer Meinung nach derzeit ausreichend nach?
Als ich 2011 beim Jahn als Geschäftsführer angefangen habe, war der SSV Jahn in großen Teilen der Gesellschaft negativ besetzt. Deshalb war klar, dass wir als Club nur dann erfolgreich sein können, wenn es uns gelingt, dass sich die Menschen in der Region für den Jahn interessieren, dass sie sich mit dem Jahn identifizieren und dass sie sich bestenfalls für den Jahn begeistern. Sportlicher Erfolg ist dabei wichtig, reicht aber bei Weitem nicht aus. Wenn wir aber unserer Verantwortung für die Region dauerhaft gerecht werden wollen, müssen wir mehr tun als nur „Profifußballanbieter“ zu sein. Es ist schön zu sehen, dass sich die gesellschaftliche Akzeptanz des Jahn – auch bei sportlichen Misserfolgen – enorm verbessert hat. Dazu haben sicherlich die vielen Aktivitäten auf sozialer oder kultureller Ebene beigetragen. Die Verankerung der sozialen, ökologischen und kulturellen Ziele in der Satzung sollte uns aber dazu motivieren, in einigen Bereichen noch aktiver zu werden. Das ist natürlich mit Blick auf begrenzte Personalkapazitäten und dem dominierenden sportlichen Verlauf nicht immer einfach, aber notwendig, wenn wir unserem eigenen Verständnis als Vertreter der Region nachkommen wollen.