Fragen an den Aufsichtsratskandidaten
Andreas Gietl
Vorstellung von Andreas Gietl als Aufsichtsratskandidat für die Wahl bei der Mitgliederversammlung des SSV Jahn Regensburg im Jahr 2024.
1. Damit die Jahnfans sich bereits vor der Mitgliederversammlung ein Bild der Kandidaten für den Posten des Aufsichtsrats machen können, bitten wir Sie, sich kurz vorzustellen.
Mein Name ist Andreas Gietl. Ich wohne in der Altstadt von Regensburg. Meine Familie stammt aus der Stadt Regensburg und ich bim im Landkreis aufgewachsen. 2006 habe ich ein Studium der Rechtswissenschaft abgeschlossen, war dann wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Konstanz und Regensburg, wo ich promoviert habe. Anschließend habe ich als Staatsanwalt in Weiden meinen Dienst bei der bayerischen Justiz angetreten. Nach 2,5 Jahren wurde ich Richter in Cham, dann Straubing und am Landgericht Regensburg. Seit Beginn des Jahres bin ich für drei Jahre nach Karlsruhe als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Bundesgerichtshof abgeordnet, wo ich den Familiensenat unterstütze. Meist bin ich 1-2 Nächte pro Woche in Karlsruhe, so dass mir genug Zeit in Regensburg bleibt für die Gremienarbeit beim Jahn.
In meiner Freizeit mache ich gerne Ausdauersport und bin viel in der Stadt und Deutschland (mit und ohne Jahn) unterwegs.
2. Wie lange sind Sie bereits Vereinsmitglied und was hat Sie dazu bewogen, Mitglied des Vereins zu werden bzw. was treibt Sie an, sich als Kandidat für die Wahl zum Aufsichtsrat zu kandidieren?
Seit Mai 2005. Das war zum Ende der ersten Saison unter Mario Basler und der Verein war finanziell stark in Not und hatte Insolvenz angemeldet. Ich wollte mich zum Verein bekennen und mich vermutlich auch im Verein einbringen, so genau weiß ich das aber nicht mehr... Ich war damals bei der Homepage schon ehrenamtlich engagiert und wollte mich wohl auch vereinspolitisch engagieren.
Ich bin in das Amt des Aufsichtsrats immer weiter hineingerutscht, weil ich mich immer wieder auch ohne Amt vereinspolitisch engagiert habe im Rahmen der Ausgliederung oder auch im Nachhinein, wenn es um grundlegende Fragen oder Satzungsfragen ging. Es erschien daher zum Schluss nur logisch, sich für den Aufsichtsrat zu bewerben, was dann vor 9 Jahren im ersten Versuch erfolgreich war. Seit nunmehr einem Jahr bin ich dessen Vorsitzender und auch Mitglied im Aufsichtsrat der KGaA, dem zweiten Aufsichtsrat im Gesamtgefüge SSV Jahn.
In der Struktur des SSV Jahn ist der Aufsichtsrat die unmittelbare Vertretung der Mitglieder. Es geht mir darum, deren Rechte zu wahren und Vereinspolitik in ihrem Sinn zu machen. Das heißt nicht, dass man Entscheidungen stets und ausschließlich danach trifft, wie populär oder unpopulär sie sind. Es geht mir darum, den Verein so zu gestalten, dass er langfristig den Mitgliedern und der Region gesund erhalten bleibt, sich weiterentwickelt und diese stolz auf ihn sein können.
Ich möchte noch weitere drei Jahre weitermachen, weil es noch viel zu tun gibt in den Themen Struktur, NLZ und ich Oli Hein Unterstützung für einen guten Start in das Amt des Vorstandsvorsitzenden geben möchte, dass er hoffentlich ab 1.1. bekleidet.
3. Der Aufstieg in die zweite Liga hatte im Jahr 2017 einen langwierigen, aber am Ende erfolgreichen Kampf gegen den Einstieg eines Investors mit sich gebracht. Nun hält der SSV Jahn Regensburg e.V. 90,5 % der Anteile an der GmbH & Co. KGaA. Wie würden Sie zu einem Einstieg eines Investors und einem damit verbundenen Anteilsverkauf stehen?
Ich war daran beteiligt, dass in der Satzung des SSV Jahn die Regel steht, dass 50+1 in der aktuellen Form bei uns auch dann weitergilt, wenn die DFL/DFB diese abschaffen würde. Die aktuelle Struktur des SSV Jahn, zu deren Änderung der Vorstand auch u.a. auf meinen Vorschlag die Zustimmung von 80 % der Mitgliederversammlung bräuchte, führt zudem dazu, dass der Verein auch ohne Aktien alle wichtigen Entscheidungen treffen würde, weil er die Komplementär-GmbH und damit die Geschäftsführung auswählt und ggf. steuert. Mit mehr als 50 % der Aktien würde der Verein auch weiterhin den Aufsichtsrat der KG zusammenstellen. Der Verein muss laut Satzung auch immer 50 % der Aktien halten. All das ist für mich nicht verhandelbar!
Ich war zudem bereits Mitglied des Aufsichtsrats als wir die Aktien von Herrn Tretzel zurückgekauft haben und den Investor Schober bekämpft haben und habe diese Linie vollständig unterstützt. Ich freue mich jedes Mal aufs Neue, wenn ich daran denke, welcher immense Erfolg dem Jahn mit dem Rückerwerb der Aktien gelungen ist und möchte, dass dies so bleibt. Denn der Fußball beim Jahn soll dem Verein und damit seinen Mitgliedern und der Region gehören und nicht anderen Personen! Hinzu kommt noch, dass ein großer Investor - aber auch viele kleine - immer geeignet sind mit ihren eigenen Erwartungen und Vorstellungen Unruhe bzw. Chaos in den Verein und sein Umfeld zu tragen.
Trotzdem möchte ich an dieser Stelle nicht verschweigen, dass es Situationen geben kann, in denen wegen des überragenden langfristigen (!)– nicht sportlichen - Vereinsinteresses eine ergebnisoffene Diskussion möglich sein sollte, ob man einige Prozent der Aktien abgibt. Eine derart weitreichende Entscheidung darf aber nur nach ausführlicher Diskussion - auch mit den Mitgliedern - geschehen und kommt nur im Ausnahmefall Betracht, wenn es keine sinnvollen Alternativen gibt.
4. In dieser Saison erhalten regelmäßig Spieler der Jahnschmiede Chancen, sich im Profi-Kader zu beweisen, zudem steht dem Neubau des neuen Nachwuchsleistungszentrums nichts mehr im Weg. Ist diese zugegebenermaßen sehr kostspielige Investition in Ihren Augen angebracht, oder wäre beispielsweise die Erhöhung des Budgets für den Profi-Kader nicht sinnvoller?
Vorab möchte ich betonen, dass zwar ein Grundstück und Pläne vorhanden sind für das NLZ, die endgültige Entscheidung ob und vor allem in welchem Umfang in einem ersten Schritt dort gebaut werden wird aber noch nicht gefallen ist.
Es macht einfach mehr Spaß einer Mannschaft zuzusehen, bei der sich auch Spieler aus dem eigenen Nachwuchs finden und dort regelmäßig spielen. Schon alleine deswegen lohnen sich die Investitionen.
Unabhängig davon ist es meines Erachtens eine Aufgabe des Vereins Kinder und Jugendliche und Trainer für die Region auszubilden, auch wenn sie nicht langfristig bei uns spielen. Letzteres ist seit 2022 auch in der Satzung verankert. Das ist es auch, was der Verein noch selbst macht und nicht die Kapitalgesellschaft.
Insgesamt gilt es ein Gleichgewicht zu finden zwischen der finanziellen Ausstattung der Lizenzmannschaft und dem Nachwuchsbereich, was uns in den vergangenen Jahren denke ich ganz gut gelungen ist, und diesen Weg möchte ich weitergehen. Nachdem bei den Profis die Infrastruktur nun auf Stand ist, wird es nun Zeit im Jugendbereich nachzuziehen.
5. Wie auch schon vor knapp zwei Jahren wurde der Verein nun den vergangenen Wochen von Medien und Fans teilweise sehr kritisch beäugt, da man in sportlich schwierigen Zeiten auf Kontinuität statt auf einen Wechsel in der sportlichen Führung gesetzt hat. Wie stehen Sie zu diesem Thema, wann wird ein personeller Wechsel unumgänglich?
Ich möchte vorweg sagen, dass der Aufsichtsrat des Vereins nicht die Entscheidung trifft, ob der Trainer entlassen wird. Hingegen hat er bei der Auswahl und ggf. Entlassung des Sportgeschäftsführers mitzuwirken.
Unsere Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass man mit Kontinuität -wie auch in der kaufmännischen Sphäre -auf den hier relevanten Positionen sehr erfolgreich sein kann. Gleichzeitig zeigt diese Erfahrung auch, dass insbesondere die Position des Sportgeschäftsführers besonders wichtig, aber auch nicht immer leicht zu besetzen ist. Ich sehe auf dieser Position keine Notwendigkeit für eine Diskussion.
Gleichzeitig ist Kontinuität kein Selbstzweck. Hinsichtlich des Trainers hat die sportliche Geschäftsführung nunmehr gehandelt und die Mannschaft hat nun erfreulicherweise 2x 1:0 gewonnen.
Grundsätzlich ist es Aufgabe des Sportgeschäftsführers die tägliche Arbeit des Trainers und sein Verhältnis zur Mannschaft zu beurteilen und daraus die notwendigen Schlüsse zu ziehen. Aufgabe des Aufsichtsrats ist es dabei, ggf. kritische Fragen zu stellen. Ich vertraue Achim Beierlorzer, dass er hinsichtlich der Nachfolge für Joe Enochs die richtigen Entscheidungen treffen wird.
Meine grundsätzliche Haltung dazu ist, dass ein Wechsel auf den Positionen der sportlichen Leitung dann „unumgänglich“ ist, wenn man zu dem Ergebnis käme, dass es den handelnden Personen nicht gelingt passende Spieler und sonstiges Personal zu verpflichten und entsprechend unseren Werten zu führen und das mittelfristig (in einer Krise ggf. auch kurzfristig) mit einer anderen Person besser funktionieren würde.
6. In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Rufe bezüglich einer Strukturreform der Gremien des SSV Jahn laut, auch auf der diesjährigen Mitgliederversammlung werden über verschiedene Änderungsanträge abgestimmt. Besteht in Ihren Augen die Notwendigkeit, bestimmte Strukturen oder Teile der Satzung zu ändern?
Die Satzung des Vereins, an deren Gestaltung ich - ohne große Gestaltungsmacht - mitgewirkt habe, ist im Grundsatz eine Satzung für ein Investorenmodell. Es ist uns damals gelungen, die schlimmsten Auswüchse dieses Ansatzes zu verhindern und trotzdem ist sie eben dafür ausgelegt. Das zeigt sich an der sehr starken Stellung des Vorstandsvorsitzenden, der eine Amtszeit bis zu 5 Jahren hat und kaum abberufen werden kann und an anderen Stellen.
Es ist daher, nachdem wir seit langer Zeit wieder die Mehrzahlt der Aktien in Vereinshänden halten, an der Zeit diese Struktur zu hinterfragen und zu diskutieren. Sollte ich wiedergewählt werden und womöglich sogar wieder Vorsitzender des Aufsichtsrats, wäre es mir ein wichtiges Anliegen diesen Prozess ergebnisoffen und transparent durchzuführen.
Hinsichtlich der vorliegenden Anträge auf Satzungsänderung verweise ich auf die Stellungnahme des Aufsichtsrats hierzu, die mit der Ladung zur Mitgliederversammlung versendet wurde.
7. Auf der Mitgliederversammlung 2022 haben die Mitglieder dafür gestimmt, eine nachhaltige Entwicklung und die Förderung von sozialen, ökologischen und kulturellen Projekten in den satzungsgemäßen Vereinszweck zu integrieren. Kommt der SSV Jahn den daraus entstehenden Pflichten Ihrer Meinung nach derzeit ausreichend nach?
Diese Frage ist sehr schwierig zu beantworten, ohne in Allgemeinplätze abzugleiten. Ich versuche es aber trotzdem mal und bitte um Verzeihung, wenn es zu abstrakt ist.
Der SSV Jahn hat eine große Strahlkraft in der gesamten Region. Deswegen kann es ihm gelingen, die Aufmerksamkeit von vielen Personen auf bestimmte Themen zu lenken. Dadurch kann er Veränderungen von Meinungen und Einstellungen durch Diskussionen oder eigene Stellungnahmen anstoßen.
Gleichzeitig kann er auch über seine Unterstützer und Sponsoren, eigene finanzielle Möglichkeiten oder durch seine eigene Tätigkeit selbst Veränderungen von Verhältnissen und Meinungen bewirken. Als Sportverein sind derartige Projekte immer so zu entwickeln, dass sie vom Sport herkommen. So ist es auch in der Satzung verankert.
Derartige Projekte gibt es im Verein einige, wobei man sicher über das eine oder andere zusätzliche Projekt nachdenken könnte. Natürlich würden auch mir eigene Themen einfallen, bei denen der Jahn sich engagieren könnte oder vorangehen könnte. Es gilt aber hier sich nicht in unendlich vielen Dingen zu verzetteln, sondern einzelne sinnvolle Maßnahmen gezielt und langfristig durchzuführen.
Mir ist es aber auch ein Anliegen darauf hinzuweisen, dass es nicht die Aufgabe des SSV Jahn sein sollte, bereits bestehende funktionierende Strukturen oder Projekte zu gefährden. Sollte es daher bereits bestehende Projekte geben, bin ich dafür diese, wenn dort gewünscht, zu unterstützen und nicht daneben noch etwas eigenes zu machen.
Sollte von Seiten der Mitglieder hier Ideen für weitere Projekte oder Möglichkeiten der Kooperation geben, bitte ich darum, mich zu kontaktieren. Hier könnten die Mitglieder sich auch selbst in der Vereinsarbeit unmittelbar einbringen.
Mit „Jahn Sozial“ besteht ein Projekt, mit dem gezielt Geld eingeworben wird, wodurch externe Projekt unterstützt werden („Bananenflankenliga“) oder auch eigene Projekte durchgeführt werden. Als Aufsichtsrat des eV kann ich dieses Projekt nicht im Detail steuern, ich begrüße es aber und freue mich, dass es dort viele Projekt gibt. Als Justizbediensteter freue ich mich vor allem, dass mit Jahn Resozialisierung ein Projekt besteht, das auch Strafgefangene berücksichtigt, die insgesamt keine große Lobby in unserer Gesellschaft haben und ganz besonders auf Unterstützung, während der Haft und danach angewiesen sind. Das gleiche gilt natürlich für alle anderen dort berücksichtigten Gruppen wie zum Beispiel Flüchtlinge oder allgemein sozial Benachteiligte mit der Jahn „Tribünenreihe“.
Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang, dass diese Maßnahmen nicht nur als Schaufenster oder Werbemaßnahme durchgeführt werden und sich die dort geförderten Personen auch nicht als Teil einer PR-Maßnahme sehen, sondern sich auf Augenhöhe wahrgenommen und tatsächlich unterstützt fühlen. Hier habe ich keine Informationen dazu, dass es hier Probleme gäbe.
Insgesamt bin ich daher der Ansicht, dass der Jahn seiner Verantwortung gerecht wird, würde mir aber wünschen, dass langfristig auch große gesellschaftliche Themen wie Umwelt- und Klimaschutz und politische Bildung eine stärkere Rolle spielen.
Das Thema Nachhaltigkeit wird nach meiner Wahrnehmung immer mitgedacht und die KG hat auch eigene Stelle für das Thema geschaffen. Es wird zudem bei einer möglichen Strukturreform eine Rolle spielen.