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Stellungnahme zu Hausverbot, Protest und Reaktion der Jahnfans

Ultras Regensburg

Stellungnahme der Ultras Regensburg:

Servus Jahnfans, 
auf Grund der Ereignisse rund um das Heimspiel gegen den FC Ingolstadt 04 möchten wir hier als Ultras Regensburg Stellung beziehen und unser Verhalten an dem Tag erklären.

Die Vorgeschichte

Vor dem Spiel soll auf dem Anreiseweg zum Stadion ein Ingolstädter Schal entwendet worden sein. Im unmittelbaren Umfeld zum angeblichen “Tatort” kam es dabei wohl zu keinen Festnahmen oder Ähnlichem. Im Zuge der Fahndung nach dem mutmaßlichen Täter wurden im Bereich der regulären Einlasskontrolle am Eingang Süd I behelmte Einheiten des Unterstützungskommandos (USK), einer spezialisierten Einheit der bayerischen Polizei mit zweifelhaftem Ruf (1), abgestellt. In dieser Form ein Novum im Heimbereich des Jahnstadions.

Diese Polizeikräfte zogen nun ab Einlassbeginn Personen vor dem Drehkreuz heraus und unterzogen sie einer weiteren Personenkontrolle. Wir ordnen diese Kontrollen als weitgehend willkürlich ein. So berichten Augenzeugen, dass die ursprüngliche Anweisung an die umsetzenden Polizeikräfte primär war, Fans mit “rötlich-blonden Haaren” zu kontrollieren. Nach kurzer Zeit wurde dies auf blonde Personen ausgeweitet und nach einiger Zeit auf Personen mit blonden oder schwarzen Haaren. Dabei wurden zu Beginn verstärkt Mitglieder unserer Gruppe und unser Umfeld kontrolliert. Die Kontrollen wurden jedoch auch noch fortgesetzt, als nahezu die gesamte aktive Fanszene bereits im Stadion war. So wurden zahlreiche (insbesondere jüngere) Jahnfans, die keinen Bezug zu unserer Gruppe oder der aktiven Fanszene haben, Opfer dieser Kontrollen. Insgesamt dürften in etwa 20 solcher Kontrollen durchgeführt worden sein. Von unserer Seite wurde sich zu diesem Zeitpunkt deeskalierend verhalten. In der Gesamtschau wirken die Kontrollen eher wie eine Retourkutsche auf zuvor fehlenden Fahndungserfolg, als eine zielgerichtete Maßnahme.

Der Vorfall

Im Zuge der oben beschriebenen Maßnahme waren die Polizeikräfte der Meinung, den gesuchten Jahnfan entdeckt zu haben. Aufgrund der sehr breiten Vorgabe zur Kontrolle von Personen stellen wir die Einschätzung der Polizei in Frage und sind uns sehr sicher, dass die Polizei hier lediglich Resultate produzieren wollte, um die eigenen Anstrengungen im Nachhinein rechtfertigen zu können. Die angeblich identifizierte Person wurde daraufhin abgeführt und einer Identitätsfeststellung unterzogen. Da jedoch scheinbar keine weiteren Indizien vorlagen, die eine reguläre Ingewahrsamnahme begründet hätten, wurde der Jahnfan wieder auf freien Fuß gesetzt. Da man auf Seiten der Polizei offensichtlich nicht mit diesem Ergebnis zufrieden war, wurde die Dauerkarte des Jahnfans unter dem Vorwand der angeblichen “Gefahrenabwehr” abgenommen (juristisch begründet mit dem weiterhin umstrittenen bayerischen Polizeiaufgabengesetz (2)). Die Polizei hätte zu diesem Zeitpunkt unserem Verständnis nach keine Kompetenz gehabt, der Person einen Stadionzutritt zu verweigern, da der SSV im Jahnstadion das Hausrecht ausübt. Um zu verhindern, dass sich der Jahnfan eine neue Karte für den Einlass besorgt, wurde der Verein durch die Polizei kontaktiert und eine Sperrung der Dauerkarte für den Spieltag sowie ein Hausverbot für den Jahnfan gefordert. Dem ist ein Vereinsfunktionär nachgekommen, was wir als sehr starken Vertrauensbruch empfinden!

Stadionverbote beim SSV

Stadionverbote (und als solches ist de facto dieses Hausverbot zu sehen) sind als Mittel des Hausrechts ein zweischneidiges Schwert. Ohne Frage hat ein Veranstalter das Recht zu bestimmen, wer auf seine Veranstaltungen kommen darf. Um aber völlig willkürliche Anwendungen zu verhindern, etwa gegen Proteste gegen Vereins- und Verbandspolitik, wurden bei vielen deutschen Vereinen Konzepte zur Vergabe von Stadionverbote erarbeitet. So auch in Regensburg, erstellt in einem Dialog zwischen Fanszene und Vereinsverantwortlichen und inzwischen seit circa einem Jahrzehnt in Anwendung - ohne größere Probleme. Die Rahmenbedingungen für den Stadionverbots-Prozess sind öffentlich einsehbar (3) und beinhalten normalerweise eine Möglichkeit zur schriftlichen oder mündlichen Stellungnahme. Lediglich “wenn die Beweislast eindeutig ist oder die Aktion des Betroffenen mit einer derartigen Intensität und Aggressivität durchgeführt wurde, dass keine andere Entscheidung als diese getroffen werden kann und somit von dieser Person keinerlei sicherheitsrelevanten Aktionen mehr im Stadion durchgeführt werden können”, wird eine Entscheidung über ein Stadionverbot ohne vorherige Anhörung getroffen. Dieser Fall ist übrigens grundsätzlich beim SSV Jahn noch nie vorgekommen. Darüber hinaus liegt dies ohnehin offensichtlich nicht vor, weder ist hier eine unglaubliche Gewalttat Thema, noch ist die Beweislast auch nur annähernd eindeutig. Zum Zeitpunkt der Aussprache des Hausverbots (und auch heute) stand die Aussage der Polizei gegen die des Jahnfans, es war und ist keine Schuld bewiesen. Wir sind enttäuscht und wütend auf die Verantwortlichen, die ein seit Jahren bestehendes und gut funktionierendes System ohne Not über den Haufen schmeißen, zur Befriedigung der Polizei und zu Lasten eines Jahnfans.

Unsere Entscheidung

In diesem Kontext erhielten wir etwa eine Stunde vor Anpfiff der Partie die Informationen über die Personalienfeststellung. Zu diesem Zeitpunkt gingen wir lediglich vom üblichen Prozedere durch die Polizei aus und organisierten so, zusätzlich zu den zahlreichen anderen Aufgaben, die ein durchschnittlicher Spieltag mit sich bringt, noch einen Anwalt für die betroffene Person. Etwa eine halbe Stunde vor Anpfiff wurden wir schließlich auf das geschilderte Hausverbot aufmerksam gemacht. In derartigen dynamischen Situationen geraten häufig fehlerhafte Informationen in Umlauf und wir haben auch schlicht nicht mit dieser Aktion des Vereins gerechnet. Dadurch wurde relativ viel Zeit darauf verwendet, um die Info zum Hausverbot zu verifizieren. Die finale Bestätigung erhielten wir nicht einmal zehn Minuten vor Anpfiff der Partie.

Für solche sehr spontanen Situationen gibt es innerhalb von UR etablierte Strukturen, um auch kurzfristige Entscheidungen treffen zu können. Hinter diesen stehen wir selbstverständlich kollektiv, auch heute. Es wurde vereinbart, als Protest gegen die Entscheidung des SSV die ersten 45 Minuten des Spiels auf jegliche Koordinierung des Supports zu verzichten, sowie ein spontanes Spruchband zur Thematik ("Hausverbot auf Verdacht – Was soll das?!") anzufertigen und aufzuhängen. Die Entscheidung sollte über die Megafon-Anlage mit der Hans Jakob Tribüne kommuniziert werden. Eine Weitergabe unserer Motivation für einen Boykott an die Mannschaft war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. An dieser Stelle soll noch einmal hervorgehoben werden, dass sich unser Protest explizit gegen die Entscheidung der Vereinsoffiziellen des SSV Jahn richtete. Für eine “einfache” Ingewahrsamnahme wäre nicht diese Form des Protest gewählt worden.

Kommunikation und Reaktion

Diese Entscheidung wurde also getroffen, während unser Vorsänger bereits die Hans Jakob Tribüne auf das Spiel einstimmte und die ersten Lieder durch das Jahnstadion hallten. Daraufhin wurde einem der Vorsänger die undankbare Aufgabe zuteil, der vollen HJT zu erklären, dass wir als Ultras Regensburg in der ersten Halbzeit aus Protest die Stimmung nicht koordinieren werden. Dass in so einer spontanen und emotionalen Situation vor einer so großen Menschenmenge nicht jedes Wort immer perfekt passt, kann wohl jeder nachvollziehen, der schon einmal frei vor einer größeren Gruppe gesprochen hat. Im Nachgang wurden wir zudem darauf aufmerksam gemacht, dass viele Menschen die Durchsage entweder verpasst haben oder akustisch nicht verstanden haben. Auch die an diesem Tag nicht einwandfrei funktionierende Megafon-Anlage trug sicherlich ihren Teil dazu bei. In Zukunft werden wir solche Entscheidungen öfter und deutlicher durchsagen. Allerdings muss auch die Wahrheit akzeptiert werden, dass vereinzelte Pfiffe gegen den Vorsänger bereits mit der Ankündigung unseres Verzichts auf Support begannen und diese daher zumindest teilweise verstanden wurde. Die folgenden Versuche, unabhängig von uns Support zu organisieren, stören uns selbstverständlich nicht, sondern sind in dieser Situation das gute Recht jedes Stadionbesuchers. Dass dieses Engagement vor allem aus Ecken kam, die sonst notorisch schwer für Support zu begeistern sind und die Mitmachquote dort mit Beginn der zweiten Halbzeit wieder rapide abnahm, nehmen wir zur Kenntnis. Pöbeleien gegen uns und den Vorsänger mit Mittelfingern und verschiedenen Gesängen betrachten wir nicht als konstruktive Kritik und haben wir so auch nicht hingenommen.

Das Nachspiel

Bereits wenige Tage nach dem Protest fand glücklicherweise ein Gespräch zwischen Vertretern von Ultras Regensburg und Vereinsverantwortlichen statt. Neben anderen Themen konnte hier zentral die Hausverbotsthematik erörtert werden. Grundsätzlich wurde dabei die oben beschriebene Version der Ereignisse bestätigt, jedoch sind weitere Details bekannt geworden. Etwa wurde uns versichert, dass von Seiten der Polizei eine bewusst überschärfte Darstellung an den Vereinsverantwortlichen, der das Hausverbot zu verantworten hat, kommuniziert wurde. So wurde die Schuld des Jahnfans als eindeutig dargestellt und von angeblicher Gewaltanwendung fantasiert. Wir lehnen natürlich auch mit diesen Infos die Vergabe eines Hausverbots auf Verdacht ab, eben weil die Polizei kein neutraler Akteur ist, der erfahrungsgemäß auch nicht selten mit Lügen arbeitet, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Es macht aber das Handeln des Vereinsverantwortlichen ein Stück weit verständlicher. 
Unsere Gesprächspartner beim SSV Jahn erklärten, dass es bislang keinen vergleichbaren Fall in Regensburg gegeben hat und man dadurch auch etwas überrumpelt war. Es wurde glaubhaft dargelegt, dass dies einen kritischen Lern- und Reflektionsprozess angestoßen hat, wie in Zukunft mit Hausverboten umgegangen werden soll. Für die Zukunft sollen einseitige Darstellungen der Polizei stärker hinterfragt werden. Zudem soll in vergleichbaren Fällen die Entscheidungsgewalt über ein Hausverbot nicht mehr bei nur einem einzelnen Vereinsoffiziellen liegen und in jedem Fall die betroffene Person angehört werden.

Unser Fazit

Wir sehen es immer noch als riesigen Fehler des SSV beziehungsweise des betreffenden Vereinsfunktionärs an, ein Hausverbot vorbei an etablierten Strukturen und auf Zuruf der Polizei rein auf Verdacht zu vergeben. Wir stehen weiterhin hinter der Entscheidung eines Support-Boykotts. Wir erkennen an, dass die Kommunikation unserer Entscheidung besser hätte ablaufen können. Wir hatten nicht vor, Jahnfans aufgrund ihrer Entscheidung ohne uns zu supporten, physisch oder verbal anzugehen - unserem Wissen nach ist das durch unsere Gruppe auch nicht passiert. Menschen, die meinen, uns aus der vermeintlichen Anonymität heraus beleidigen zu können, werden wir weiterhin mit ihrem Handeln konfrontieren. Wenn dies am Samstag als Angriff gegen Leute, die lediglich supportet haben, gedeutet wurde, weil sie vielleicht physisch in der Nähe waren, dann wollen wir für diesen Eindruck ehrlich um Entschuldigung bitten. Wir freuen uns über das produktive Gespräch mit Vereinsvertretern und die zugesagten Verbesserungen in dieser Causa.  Dabei sind wir uns sicher, dass unser Protest dazu beigetragen hat, die Dringlichkeit dieser Thematik deutlich zu machen.

Als Gruppe, die seit über 20 Jahren die Stimmung bei Heim- und Auswärtsspiele verlässlich koordiniert und zahlreiche Erfolge der Regensburger Fankultur federführend gestaltet hat, hätten wir uns aber tatsächlich auch gewünscht, dass besonders außerhalb von S2 mehr Vertrauen und Respekt gegenüber unserer Entscheidung gezeigt wird, auch wenn vielleicht nicht jedem direkt alle Fakten klar waren.   
Besonders in sozialen Medien wurde uns der Slogan “Niemand steht über dem Verein” vorgehalten und dass wir die Mannschaft im Stich gelassen hätten. Hierzu möchten wir jedem Jahnfan versichern, dass wir uns die Einstellung des Supports niemals leicht machen, besonders nicht in einem sportlich wichtigen Spiel. Andernfalls würden wir als Gruppe sicherlich nicht jede einzelne Auswärtsfahrt zu den unmöglichsten Terminierungen auf uns nehmen, nicht tausende Arbeitsstunden in die Planung, Erstellung und Umsetzung von Choreografien, in die Ausarbeitung neuer Fangesänge, in das Voranbringen karitativer Projekte oder in vereinspolitisches Engagement stecken. Nichts hätte uns auch an diesem Samstag mehr Spaß gemacht, als die Jahnelf 90 Minuten lang nach vorne zu schreien. Uns ging es nicht um unsere persönliche Befindlichkeiten, nicht einmal in erster Linie um die Solidarität mit einem Jahnfan, der auf Basis einer haarsträubenden Begründung an der Unterstützung der Jahnelf gehindert wurde. Es geht uns auf einer Meta-Ebene vielmehr um die grundlegende Frage, unter welchen Bedingungen Vereinsfunktionäre Jahnfans von einem Stadionbesuch ausschließen können. Am Samstag wurden die selbst gesetzten Rahmenbedingungen dieser Frage ohne guten Grund ignoriert. Aus unserer Sicht ist es für unseren Verein langfristig wesentlich wichtiger, solche Fragen zu verhandeln und eine klare Positionierung im Sinne der Mitglieder und Fans zu erreichen, als es das Ergebnis eines einzelnen Spiels je sein könnte. Dies deckt sich auch mit unserer langfristigen Positionierung in zahlreichen anderen Situationen, etwa bezüglich des verhinderten Investoreneinstiegs in die DFL oder im Rahmen der 12doppelpunkt12-Proteste gegen das DFL-Sicherheitskonzept. Auch hier wurde der Support eingestellt, jedoch um langfristig den Verein zu stärken und seine fanfreundliche Identität zu bewahren. In dieser Linie sehen wir auch den Protest des vergangenen Samstags. An den Gesprächen, die im Nachgang mit Vereinsverantwortlichen geführt wurden und den darin zugesicherten Verbesserungen in der Thematik Hausverbot, sehen wir eine solche Fortentwicklung im Sinne von Fans und Mitgliedern.

Grundsätzlich wollen wir noch einmal hervorheben: Wir sehen uns als Fans des SSV Jahn Regensburg, als Teil der Jahnfamilie. Wir sind nicht der Ansicht, dass wir “bessere Fans” sind, auch wenn wir unser Fanleben vermutlich exzessiver und intensiver als die meisten anderen beim Jahn ausleben. Wir werden aber die Entwicklungen im Fußball im Allgemeinen und beim Jahn im Besonderen weiterhin kritisch begleiten. Wir sind keine hirnlosen Stimmungsmacher, die alles, was uns vorgesetzt wird, bejubeln und unterstützen werden. Ebenso wenig sehen wir uns in der Verantwortung, irgendjemanden ein besonderes “Fußball-Event” zu bieten, wenn wir die Umstände nicht angemessen finden.
Dem konstruktiven, gerne auch kritischen Austausch mit allen Jahnfans bleiben wir selbstverständlich wie immer offen.

Ultras Regensburg im März 2024

 


(1) Bernstein, M. (2020). Volksverhetzer in Uniform. Süddeutsche Zeitung. 
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-polizeiskandal-usk-abschlussbericht-1.4832040

Poppe, T. (2023). Debatte um Polizeieinsätze entfacht erneut. Deutschlandfunk. 
https://www.deutschlandfunk.de/polizeischuss-fussball-bundesliga-augsburg-moenchengladbach-100.html

Weber, D. (2017). Konsequenz einer Gewaltorgie. taz. 
https://taz.de/Polizeigewalt-im-Stadion/!5464607/

(2) Baur, D. (2023). Urteil mit Zwischentönen. taz. 
https://taz.de/Bayerisches-Polizeiaufgabengesetz/!5935266/

(3) SSV Jahn Regensburg GmbH & Co. KGaA. (2018). Leitlinie zur Vergabe von Stadionverboten. 
https://www.ssv-jahn.de/fileadmin/user_upload/Fans/Ticketing___Stadion/180802_Interne_Leitlinie_Stadionverbotskommission_SSV_Jahn.pdf